Nur lebendige Orte sind wertvoll

Was bestimmt den Wert eines Gebäudes? Die verbaute Masse an Material? Seine Lage? Die Nachfrage? Meistens bemisst es sich über Geld und nicht über den Nutzen für die Menschen, die darin leben und aktiv sind. Den eigentlichen Wert kann man aber nur bestimmen, wenn man die Lebendigkeit eines Ortes betrachtet. (Lesezeit unter 3min)

Wenn ich durch Hamburg oder durch andere große Städte gehe – egal wo – überall sehe sehe ich Baustellen und Gerüste, Bagger und ausgehobene Grundstücke. Unsere Städte verändern sich im Moment rasant, es herrscht ein echter Immobilienboom. Die Nachfrage und die Investitionen sind riesig, weil viele Städte wachsen und Gebäude wieder als sichere „Anlage“ für die Zukunft gelten. Ich finde, das führt jedoch häufig nicht zu besseren, sondern eher zu schlechteren Verhältnissen in unseren Städten. Ich glaube sogar, die vorhandene Knappheit von Flächen und die Nachfrage werden momentan zum negativen ausgenutzt. Zum Beispiel lassen manche Immobilienbesitzer ihre Gebäude und Flächen einfach „liegen“, weil die anhaltende Nachfrage und der Zeitverlauf schon für gewünschte Wertsteigerungen sorgen. So entstehen ungenutzte und tote Ecken. Außerdem führt der ganze „Run“ auf die Städte dazu, dass auch eher durchschnittliche neue Gebäude gebaut werden können, weil diese trotzdem nachgefragt werden.

Wertvoll sind Gebäude häufig nur für Besitzer und Spekulanten

Auch wenn viele Architekten mit anfangs grandiosen Entwürfen und faszinierenden Visionen und Visualisierungen aufwarten – gebaut werden sie am Ende häufig doch nicht; und wenn dann nur in sehr reduzierter Form. Denn „los“ wird man sie auch so. Im schlechtesten Fall bleibt dann nur die Hülle der Marketing-Versprechen übrig: von Gebäuden für das „Wohnen, Arbeiten oder Einkaufen der Zukunft“. Manchmal stehe ich dann vor oder in denen und frage mich, was hier jetzt besser sein soll, als anderswo und warum ich mich jedes mal verloren oder fehl am Platz fühle, wenn ich stehen bleibe. Sie schotten sich durch Glas und glatte Fassaden ab. Sie zeigen nicht, was eigentlich in ihnen passiert, sie laden nicht zum näher oder zum eintreten, geschweige denn zum Verweilen oder Benutzen ein. Sie stellen rechteckige leere Räume und Oberflächen bereit, statt Ausdruck menschlichen Handelns zu sein und Interaktionen und Beziehungen zu ermöglichen.

Lebendige Immobilien als Gegenentwurf

Nicht allein die verbaute Masse an Glas und Beton oder die Nachfrage von möglichen Käufern ist es, die den eigentlichen Wert eines Gebäudes ausmacht. Auch nicht die vielbeschworene Lage. Zunächst mal ganz einfach: Ohne Menschen hat eine Immobilie – die ja für Menschen überhaupt nur gebaut wird – überhaupt keinen Wert. Und wenn ein Gebäude dann von Menschen genutzt wird, zeigt erst die Lebendigkeit und Nutzerfreude wie wertvoll es tatsächlich ist.

Lebendig – das sind Menschen, das ist die Natur. Für ein Gebäude heißt das zuerst, dass es überhaupt belebt ist – von Menschen, die nicht allein an ihnen vorbei laufen und darin Wege zurück legen. Es ist mehr als das, denn wirklich lebendig ist nur das, was sich weiter entwickelt, was wächst und den Austausch mit anderen sucht und ermöglicht. Lebendige Gebäude lassen deswegen die Menschen und das Umfeld, in dem sie stehen, erstens weiter wachsen und zweitens in Interaktion treten. Sie ermöglichen es den Menschen nicht nur, ihre Tätigkeiten einfach und angenehm auszuführen, sondern sie provozieren weitere Aktivitäten und lassen Neues zu. Gebäude sind sowas wie eine Dienstleistung für den Menschen, ihre Funktion ist es, dem Menschen und seinen Aktivitäten zu dienen. Deshalb denke ich, sollten Gebäude nicht nur einfach leere Räume bereitstellen, sondern mehr über menschliche Aktivitäten und Beziehungen verstehen, um diese dann zu auch konkret ablesbar zu ermöglichen.

Dementsprechend können Gebäude neu und anderes gewertet werden, in dem man fragt, wie gut sie ihre Funktion erfüllen, wie zufrieden die Menschen bei welcher Nutzung auch immer sind (Arbeiten, Wohnen, Einkaufen, Gast sein) oder welche Bedeutung sie für die Nachbarschaft oder die ganze Stadt haben. Diese neuen Parameter einer Bemessung des Wertes von Gebäuden zeigen, dass erst in einer Verknüpfung von baulicher, räumlicher und sozialer Gestaltung mit den Nutzern, Funktionen und konkreten Angeboten ein ganzheitliches Bild des Wertes eines Gebäudes entsteht.

Das ist nur die erste Überlegung und der Anfang eines Umdenkens, welchen wir in diesem Blog zeigen und begleiten wollen. Wir wollen zeigen, wie man konkret damit beginnen kann, menschenfreundlicher zu denken, lebendige Gebäude zu erschaffen und wie genau Gebäude gestaltet und organisiert werden können, die Menschen und ihr Umfeld wachsen lassen und Interaktionen ermöglichen.

 

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